Mittwoch, 5. Juni 2013

Female and Male Medical Ward

Bisher habe ich mich erfolgreich um die Female and Male Medical Ward herumgedrückt. Ich war häufig bei Nina in der Maternity oder im OPD (Out Patients Departement) und habe Paul, dem student medical officer über die Schulter geschaut, war im OP am mithelfen oder zusammen mit Dr Radet bei den Kindern im Childrens Ward. Nur eben nicht im Medical Ward. Obwohl das ja mein Kerngeschäft wär - sozusagen. Einige Male habe ich Dr Ndui gebeten mit mir dort wenigstens einmal eine Visite zu machen (sie nennen das hier "a round"), aber auch er scheint sich gerne um den Medical Ward zu drücken.
Es kostete mich bisher zu viel Überwindung dort alleine anzufangen.
Man stelle sich zwei grosse Säle vor - vollgestellt mit Bett an Bett vielleicht je etwa 20 Patienten in jedem Raum. Wenn ich den Raum betrete, heften sich immer mindestens 80 Augen flehentlich, bitter, verängstigt, neugierig, resigniert an mich. Denn es gibt ja nicht nur die Patienten, sondern auch noch deren nächste Angehörige in dem Raum. Die Augen registrieren jede Bewegung, die ich mache. Und alle warten darauf, dass ich zu IHNEN komme und IHNEN helfe. Und ich? Ich fühle mich alles andere als bereit dazu.

Die Krankeitsbilder sind gänzlich verschieden von dem, was ich aus der Schweiz kenne. Es ist vor allem Malaria, Anämie wegen Malaria, Anämie wegen Unter- oder Mangelernährung, Leberzirrhosen,Geschlechtkrankeiten - in erster Linie HIV; HIV mit Tuberkulose, HIV mit Abmagerung, HIV mit Anämie (ja, ja, wieder Anämie), HIV mit Aszites, HIV mit Chest Pain, HIV mit Diarrhea......
Da bin ich fast froh, wenn ich eine Asthmaattacke oder Herzinsuffizienz dazwischen entdecke. Ich begrüsse sie innerlich wie eine altbekannte Grosstante. Da weiss ich wenigsten was ich tum muss.

Nun zumindest theoretisch. Denn auch die Diagnsotik und die Therapie sind ganz, ganz, ganz anders als in der Schweiz. Denn sie sind alle kaum vorhanden (ein Praline dazu: heute habe ich nach einem BD Messgerät gefragt. Medical ward nurse sagte: "we havent got one - its broken..." Also bin ich zur Maternity. Midwife sagte "we havent got one - its broken...". Also bin ich zum Surgical ward. Surgical nurse sagte "we havent got one..." den Rest habe ich nicht mehr zugehört. Ein student nurse hat mir dann ein BP machine gebracht. Sie brauchen es gerade, weil sie praktische Prüfungen haben...)

Also. Seit zwei Tagen habe ich angefangen Runden zu drehen im Medical ward. Irgendwann musste ich ja. Vor allem, da niemand sonst sich dazu bemüssigt fühlt. Dr Ndui ist in Lusaka, der Hauptstadt, auf irgendeiner Weiterbildung diese Woche, Nina in der Maternity, Dr Radet im OPD, childrens ward und sonst noch überall und Mr Muape im Surgical ward. Mr Muape ist ein "medical licenciated", d.h. das er kein Arzt ist, aber er steht gerade eine Hierarchiestufe darunter. Er darf die häufigsten OPs durchführen und weiss durch seine Erfahrung oft sehr viel. Die sambische Regierung hat diesen Beruf geschaffen, da er nur in Sambia anerkannt ist. Denn sie haben die Erfahrung gemacht, dass alle ihre ausgebildeten Ärzte ins Ausland abwandern.
Mehr Ärzte gibt es nicht.... (das Spital hat ja auch nur ein Einzugsgebiet von ca 200`000 Menschen...)

Also fange ich seit gestern an systematisch Visiten im Medical ward zu machen. Zum Teil bin ich die Erste, die die Patienten seit etwa einer Woche sieht. Bisher lagen sie einfach so da und lebten oder starben.
Hier folgen zwei Beispiele für die Mediziner unter euch:
- 35 jähriger Mann. HIV pos. CD4 Zellzahl: 8. Eigentlich unter HAART. Seit Tagen im Spital wg Durchfall. Seither kein HAART mehr. Medis ausgegangen. SO ein Pech. Niemand weiss, was er im Ambulatorium an Medis bekommen hat. Die ambulante Akte ist einfach am anderen Ende des Spitals. Viiiel zu weit weg....
- ca 25 jähriger Mann. Seit ca 3 Tagen im Spital. Mit Aminophyllin, 2 Antibiotika und Panadol gegen Asthma behandelt... Anamnese: KEIN Asthma, dafür Epilepsie. Vor 3 Tagen im Epianfall Sturz. Seither starke Schulter und Rippenschmerzen rechts. Zunehmende Dyspnoe. Aktuell NYHA IV. Der arme Kerl kann nicht mal Reden!!! Status: SO2 88%. Rechte Thoraxhälfte: silent..., abgeschwächter Klopfschall. Palpation: SCHMERZEN re Thoraxhälfte. Arbeitshypothese: Hämatothorax... --> ich verbringe viel Zeit und Telefonate damit ein Emergency X-Ray zu bekommen.... aber es ist halt schon 18h. Da ist das seehr schwierig. Und als ich wegen Power cut dann auch noch im Dunkeln auf der Station steh, erleuchtet nur von meinem Pupillenlämpchen, geb ich auf.
Ich hoffe der Junge lebt morgen noch....

Das war gestern. Heute lebte der Junge noch. 
Dafür ist eine Patientin gestern Abend verstorben. Sie war hübsch und 21 Jahre alt. Sie war wegen einer akuten Gastroenteritis gekommen. Ihre Mutter hatte mich gestern an ihr Bett gerufen. Schon seit dem Vortag hatte sie nicht mehr auf Menschen reagiert, war eingetrübt gewesen. Niemand hatte sich darum gekümmert. 
Die Mutter hatte keine Ahnung gehabt was das bedeutete, hatte nicht lautstark um Hilfe gebeten. Als sie mich dann gestern an ihr Bett bat, diagnostizierte ich eine Meningitis und entnahm den Akten (handgeschrieben in Schulheftchen), dass die Patientin HIV positiv war.Viel mehr nicht. Dr Radet und ich verordneten Antibiotika intravenös. Aus Erfahrung sagte ich zur nurse "The patient will die, if she doesnt recieve this antibiotics!" Die Nurse zuckte nur mit der Schulter, sah mich mit einer unbewegten Miene an und legte die Akte auf einen Stapel... - ich war beunruhigt. Denn es war bald Schichtwechsel. Da sie keine Anstalten machte die Medikamente bereitzustellen, zwang ich einen student nurse die Antibiotika zu verabreichen.
Sie hat sie bekommen. Es hat nicht geholfen. Es war wahrscheinlich zu spät. Vielleicht hatte sie aber aufgrund ihrer HIV Erkrankung irgendeinen Keim gehabt, den man anders hätte behandeln müssen? Mir werden es nie wissen. Man kann keine Untersuchungen dazu machen.
 Aber es gibt keine Zeit auch nur darüber gross nachzudenken. Das Bett ist sofort wieder gefüllt und so viele warten darauf angeschaut zu werden.
Jetzt hab ich in zwei Tagen harter Arbeit wenigstens alle von der Medizinischen Abteilung mal visitiert...
Bei dem jungen Mann mit der Thoraxproblematik haben wir heute morgen tatsächlich ein Rx Thx bekommen - Halleluja. Es sieht darauf aus wie wenn er darin Flüssigkeit hätte, die fast die ganze rechte Lunge ausfüllt und das Herz stark nach links verdrängt. SO2 90%. Klinisch heute etwas weniger Atemnot und deutlcih weniger Thoraxschmerzen. Wir stechen unter seehr semisterilen Umständen mit einem grauen Venflon zwischen die Rippen. Und ich lasse ca 600 ml seröse Flüssigkeit (wie sehr flüssiger Honig) heraus....
Dann ist es doch kein Hämatothorax... Was ist es dann???? Irgendwer eine gute Idee?
Morgen frage ich den Patienten doch noch einmal in Richtung Tuberkulose oder so (Anamnesen sind hier noch viiiiel schwieriger als in der Schweiz).
 
 
 





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