Meine erste Woche im Male und Female Desaster Ward
Wie ich im letzten blog erzählte, habe ich entschlossen mich für den Female und
Male Medical Ward verantwortlich zu fühlen…
Dies hat mir ein zusätzliches Büschel grauer Haare, überschäumende Magensäure und
zerrüttete Nerven besorgt.
Einerseits bin ich froh, ins kalte Wasser gesprungen zu sein
und selbstverantwortlich mit der Arbeit
begonnen zu haben. Andererseits musste
ich mich eben deswegen direkt mit den - meist nicht funktionierenden -
Strukturen im Spital auseinandersetzen. Ich weiss zwar nun ungefähr, was ich für diagnostische Methoden zur Verfügung
habe: das Labor untersucht von Mo-Sa 8 – 12h Urin Stix und Mikroskopie, Stuhl
Mikroskopie, full blood count, Hb,
Blutgruppenbestimmungen, Sputum auf Tbc (nur Di und Do), Malaria-Schnelltest
und HIV-Schnelltest. Ausserdem kann die
CD4 Zellzahl 2x pro Woche bestellt werden.
Und es können Rx-Bilder und Ultraschalluntersuchungen durchgeführt
werden.
Zumindest theoretisch…
In der Praxis ist für die Rötgenbilder oft der Strom zu
schwach oder die Reagenzien fehlen. Und für den Ultraschall (es gibt ein Gerät
das funktioniert und ca vier die kaputt herumstehen – kaputt ist auch wenn z.B.
die Batterien verbraucht sind) braucht es den Röntgen-"Chef" namens
Innocent, der meist betrunken und manchmal auch nicht da ist. Wenn ich dann den
Ultraschall selber machen möchte, muss ich den Schlüssel zum Raum organisieren,
was keine einfache Aufgabe und dementsprechend zeitraubend ist…
Francis, der liebenswerte Röntgenassistent am Rasensprengen im Spitalgarten (seine Lieblingsbetätigung morgens , wenn "current too low for X-rays") |
Mein Magen verzog sich vor Ärger und Frustration; am liebsten
hätte ich mich auf den Boden gesetzt und geweint. Ich dachte an „meine“ Patienten, die litten
und nicht selten auch starben, die mich mit ihren Augen verfolgten, sobald ich
einen Schritt in den Krankensaal machte und ich wusste nicht mehr was ich tun
sollte. Ich versuchte ja schon alles selber zu machen, was ich machen konnte.
Ich hatte mich mit Thermometer ausgerüstet (ich habe nicht gesehen, dass die
Pflege auch nur einmal Vitalparameter gemessen hatte), mit Magensäureblockern („oh,
we dont have“), mit Analgetika („oh, we are out of Brufen, we have only Panadol“),
mit Prednison („oh, the pharmacy is out of stock“), mit Schere (eh nie zu
finden), mit Handschuhen (Mangelware), etc, etc . Aber auch als multitaskind
Arzt kann man nicht ALLES selber machen. Ich war blind am segeln, sozusagen. Es
ist einfach nicht gut eine intensive Antibiotikatherapie gegen Tuberculose zu
verordnen, wenn man kein positives Sputum hat. Aber was, wenn die Patientin
noch 34 kg wiegt und geschwächt vor sich herhustet?? Oder es ist auch nicht
gut, wenn man keine Ahnung hat, ob die Frau, die ihr Alter nicht weiss und
unter massivem Durchfall leidet und Erbricht, eine infektiöse Gastroenteritis
hat oder nicht??? Oder es ist auch nicht gut, wenn man das Hämoglobin der
30jährigen HIV positiven Frau mit der Milz bis unter den Bauchnabel, die unter
ihrer schwarzen Haut erbärmlich blass aussieht, nicht kennt?? Braucht sie nun
eine Bluttransfusion oder nicht?? (Ich versuche mittlerweile das Hb anhand der
Färbung der Konjunktiven abzulesen – funktioniert recht gut) . Auch nicht so
einfach ist ohne Urinuntersuchung bei dem 85jährigen Mann, der seit 2 Monaten
an Unterleibschmerzen und häufigem Wasserlassen leidet, zu entschieden wie man
Therapieren will. Vielleicht hat er ja doch einen Diabetes mellitus und keine
Cystitis oder Blasenbilharziose oder Prostatitis oder einfach ein Carcinom???
Ich könnte noch viele solcher Beispiele aufzählen. Und alles
sind Menschen, die mit ihren Müttern, Vätern, Brüdern oder Kindern mich mit
grossen Augen anschauen, sich fast an meine Beine hängen und von mir Heilung erhoffen…
Ich habe dann mit der nursing officer (der Chefing aller Krankenschwestern/pfleger) und
mit Sr Regina geredet um ihnen zu sagen, dass ich so nicht arbeiten kann. Aber
dir Hoffnung, dass sich dadurch etwas ändert ist klein. Auch bei der
zuständigen Nachmittags-Krankenschwester habe ich mich bitter beklagt, worauf
sie mir versprach die Nacht- und Morgenschicht zur Blutentnahmen zu bringen.
Ich erspare euch die weiteren Verwicklungen. … Am
Samstag Morgen hatte ich dann
tatsächlich von etwa 8 – 10 Patienten einige Laborresultate, die ich seit dem
Dienstag zu bestellen versucht hatte.
Es hat unglaublich viel Kraft gekostet….
Zusammen mit Nina, die ihre (im Grundsatz ähnlichen) Desaster Geschichten in einem anderen blog veröffentlicht, rätsle ich schon seit Tagen warum das so ist??? Faulheit, Desinteresse, Übermüdung, Unterbezahlung, Stress????? Wir wissen es nicht. Wahrscheinlich ist es oft eine Mischung - sorry, dass ich vielleicht politically uncorrect bin, aber die Erlebnisse hier sind manchmal haarsträubend!
Und die Unterschiede immens. Es gibt Menschen, die unglaublich gut und fleissig und kompetent sind, dabei nicht ihre entspannte zambische Gangart verlieren (und nicht wie wir Europäer ins Verbissene fallen) und dann gibt es eben auch die anderen, viele andere...
Am Samstag haben Nina und ich ebenfalls gearbeitet. Es sollt eine kurze Visite werden... ich war ca um 18h abends dann zu Hause.
Am Sonntag bin ich den ganzen Tag im Bikini im Garten gelegen und habe einen Kitschroman gelesen. So etwas ist schon seit vielen, vielen Jahren nicht mehr vorgekommen - aber hier BRAUCHE ich eine seichte Geschichte von schönen, junge, reichen Menschen, die unbeschwert ihr Glück finden (einzig geplagt von dem Zweifel :"liebt Kay mich oder nicht?" - er liebt sie natürlich bis ans Lebensende oder "welche Schuhe werde ich zu meinem Brautkleid anziehen?" - HERRLICH)
"Taping" - Ascitespunktion, kommt häufig vor (die Patienten müssen die Eimer selbst organisieren) |
Zusammen mit Nina, die ihre (im Grundsatz ähnlichen) Desaster Geschichten in einem anderen blog veröffentlicht, rätsle ich schon seit Tagen warum das so ist??? Faulheit, Desinteresse, Übermüdung, Unterbezahlung, Stress????? Wir wissen es nicht. Wahrscheinlich ist es oft eine Mischung - sorry, dass ich vielleicht politically uncorrect bin, aber die Erlebnisse hier sind manchmal haarsträubend!
Und die Unterschiede immens. Es gibt Menschen, die unglaublich gut und fleissig und kompetent sind, dabei nicht ihre entspannte zambische Gangart verlieren (und nicht wie wir Europäer ins Verbissene fallen) und dann gibt es eben auch die anderen, viele andere...
Am Samstag haben Nina und ich ebenfalls gearbeitet. Es sollt eine kurze Visite werden... ich war ca um 18h abends dann zu Hause.
Am Sonntag bin ich den ganzen Tag im Bikini im Garten gelegen und habe einen Kitschroman gelesen. So etwas ist schon seit vielen, vielen Jahren nicht mehr vorgekommen - aber hier BRAUCHE ich eine seichte Geschichte von schönen, junge, reichen Menschen, die unbeschwert ihr Glück finden (einzig geplagt von dem Zweifel :"liebt Kay mich oder nicht?" - er liebt sie natürlich bis ans Lebensende oder "welche Schuhe werde ich zu meinem Brautkleid anziehen?" - HERRLICH)
Keine Kommentare:
Kommentar veröffentlichen