Sonntag Mittag
Ich sitze unter dem Schatten des grossen Mangobaumes im
Garten und geniesse die Stille, die nur vom leisen Rauschen der Blätter, Krähenkrächzen
und – klappern (sie Klappern ähnlich einer Rassel mit den Schnäbeln), Vögel zwitschern
und Kinderstimmen in der Ferne unterbrochen ist.
Das ist sehr still für Afrikanische Verhältnisse.
Normalerweise ist man umgeben von Generatorenbrummen, Mais-Mühlenrumpeln,
Kirchenchören, Discomusik und vielen, vielen Stimmen, die durcheinander Rufen,
Lachen, Reden.
Wir haben uns das erste Mal, seit wir hier sind, zwei Tage
frei genommen. Es tut sehr, sehr gut. Gestern Morgen habe ich es kaum
ausgehalten und wollte doch kurz ins Spital – wenigstens zu der 19jährigen
abgemagerten, schwer kranken HIV-Patientin - Eunice. Gedanken kreisten in mir wie „ich
sollte ihre Medikamente umstellen“ oder „hat sie wohl das Antiwurmmittel, das
sie gestern erbrach von der Pflege wie besprochen wieder erhalten?“…. In der
Schweiz kann ich nach der Arbeit fast immer gut abschalten. Doch in der Schweiz
sind die Patienten in der Regel sehr viel weniger schwer erkrankt - sie werden auch nicht erst ins Spital
gebracht, wenn sie schon halbtot sind - und in der Regel können sich die Pflege und die Ärzte vom Wochenende sehr
viel besser um sie kümmern. Hier
geschieht es regelmässig, dass man z.B. nach zwei Tagen nachschaut und
die septische Patientin keine einzige Dosis der verordneten Antibiotika
erhalten hat… Oder man schaut nach zwei Tagen nach und der Patient „has
collapsed“. So nennen sie es, wenn ein Patient gestorben ist. Ich müsste mich
anstrengen um nachzuzählen bei wie vielen Patienten ich das schon miterlebt
habe. Ich weiss, wenn ich mich nicht darum kümmere, dann kümmert sich möglicherweise
niemand darum. Es liegt jedoch nicht alleine an der afrikanischen „Gelassenheit“,
sondern auch daran, dass es im ganzen Spital nur zwei festangestellte Ärzte, einen
licenciated clinical officer und eine Handvoll clinical officers gibt (siehe
frühere Einträge). Auch die Pflege ist hoffungslos überfordert. Es gibt pro
Schicht meist nur eine Pflegepersonin einem Ward für im Schnitt 30 - 40 oft
schwerkranke Patienten. Diese Kombination macht die lückenlose Betreuung der
Patienten schwierig bis unmöglich.
Und das macht es für mich schwierig loszulassen. Nina musste ein feines Machtwort sprechen und
mich an unseren gemeinsam geplanten Ausflug zusammen mit Seraina und Pascale
erinnern. Als ich sagte: „ich gehe ja nur ganz kurz ins Spital…“ mussten wir
beide über die naive Vorstellung laut lachen. Nichts, aber auch gar nichts geht
schnell hier.
Also hab ich losgelassen (hoffend, die Patientin lebe am
Montag noch) und mich ins weekend gestürzt.
Unser Fahrer Francis kam uns –erstaunlicherweise
oberpünktlich- um 9h abholen und mit nur ¾ Stunden Verspätung: „wo ist meine Sonnenbrille?“, „habt ihr die
Sonnencreme, Avocado, hartgekochten Eier, Romane, Decken, Ananas, etc., pp dabei??“ fuhren wir los.
Schon alleine die Fahrt – ca 70 km – auf der Landstrasse war ein Erlebnis. Der
Verkehr ist whs das Gefährlichste was man in Kashikishi und Umgebung erleiden
kann. Die wenigen Autos auf der Strasse haben Vortritt. Immer. Und die
Fussgänger haben zur Seite zu treten oder springen! Francis brauste entspannt und laut gestikulierend
mit 100 – 120 km/h über den Kies oder Teer mit den Schlaglöchern. Vorbei an Kolonnen
von Fussgängern, spielenden Kinder, schwerbeladenen Fahrrädern , Frauen mit
Türmen von Lasten auf dem Kopf und bedenklich schiefen Lastwagen. Wir sassen
etwas verkrampft auf unseren Sitzen und hofften heil anzukommen ohne allzu
viele Fussgänger auf den imposanten Hirschfänger aufgeladen zu haben.
Das Land ist rotbraun mit dürrem Gras, Büschen und
imposanten Mangobäumen. Ab und zu sieht man kleine Siedlungen mit Häuschen aus
Ziegelsteinen und Strohdächern, wenig Ackerbau, Ziegen und immer wieder kleine Flussläufe,
an denen Frauen Wäsche waschen. An den Strassenrändern werden selber gepflückte
Erdnüsse, Orangen, Mandarinen, Bananen verkauft oder auch geflochtene Korbstühle,
Häufchen mit Kohle und gezimmerte Holzbetten; man sieht Flecken mit Brandrodung - vielleicht ist es
auch Müllverbrennung. Selten steht dazwischen ein grösseres Haus mit einem
Blechdach, Veranda, Satellitenschüssel und Auto im Vorgarten. Schliesslich verlassen
wir auch die mageren Ansiedlungen und um uns herum breitet sich die Savanne
aus. Das flache Land wird ein wenig hügeliger – Francis nennt es einen Berg.
Dort verbirgt sich das Ziel unseres Aufluges:
die Ntumbachushi Falls. Obwohl aktuell in Zambia „the cold season“ herrscht, ist uns allen heiss als wir ankommen. Wir sind
müde von der anstrengenden Fahrt, haben Hunger und Durst - es ist schon Mittag. Zuerst müssen wir
uns noch mit dem Wächter herumschlagen, der von uns als Non-Residents, die für
zambische Verhälnisse horrende Gebühr von 15 US Dollar pro Kopf Eintritt verlangt.
Wir zahlen zusammen 300 Kwacha. Das ist etwa ein durchschnittlicher Monatslohn
eines ungelernten Arbeiters.
Francis fährt los
und will uns um halb fünf wieder abholen kommen. In der Zwischenzeit wird er
das unendlich bedeutsame Länderspiel Zambia-Togo (oder evt ein anderer Konkurrent
um den Platz im Worl Cup – ich kann mir so was nie merken) anschauen. Er trägt
wie viele Männer heute ein grünes Zambia-Tshirt. Wir stapfen auf steifen Füssen
dem Wächter nach - Richtung Tosen. Nach wenigen Schritten wird die Luft kühl
und feiner Sprühregen legt sich über uns. Und da sind sie: die Wasserfälle. Umgeben
von einer Enklave Dschungel stürzen sie sich über etwa 10 m in ein natürliches
Becken herunter. Sie sind nicht besonders gross – aber wunder-wunderschön. Ich
stehe und staune und bewundere.
Das Wasser ist glasklar – der Guide sagt, dass man problemlos davon trinken kann (was wir dann doch nicht ausprobieren). Er führt uns einige Minuten weiter herum, zeigt uns eine Stelle an der man duschen könnte und weist uns den Weg nach oben zu kleinen Flüsschen und Becken in denen man baden kann. Wir mühen uns in Flip-Flops die unregelmässigen Steine hinauf. Ich komme mir in meinen grünroten 30-Kwacha-Plastik-Strass-Sandalen vor wie eine Japanerin, die in Turnschuhen auf das Matterhorn steigen will…. Oben angelangt stehen wir vor einer urtümlich anmutenden Landschaft mit schwarzen Felsen, dürrem Gras und Büschen, sowie üppiger Vegetation entlang von kleinen Flüsschen. Endlich finden wir ein geeignetes Plätzchen mit etwas Schatten am Rand eines solchen Wasserlaufs, der fröhlich über ein paar Stromschnellen hüpft. Es ist unglaublich schön und friedlich hier; weit und breit ist keine Menschenseele ausser uns. Der Spitalalltag mit seinen Nöten fällt von mir ab. Und ebenso schnell schlüpfen ich mit den anderen aus unseren Kleidern und wir steigen ins Wasser. Kalt ist es nur im ersten Augenblick und dann schlicht herrlich. Seit wir in Kashikishi angekommen sind, habe ich mich nicht mehr so frisch und sauber gefühlt. Ich könnte die Welt umarmen.
Das Wasser ist glasklar – der Guide sagt, dass man problemlos davon trinken kann (was wir dann doch nicht ausprobieren). Er führt uns einige Minuten weiter herum, zeigt uns eine Stelle an der man duschen könnte und weist uns den Weg nach oben zu kleinen Flüsschen und Becken in denen man baden kann. Wir mühen uns in Flip-Flops die unregelmässigen Steine hinauf. Ich komme mir in meinen grünroten 30-Kwacha-Plastik-Strass-Sandalen vor wie eine Japanerin, die in Turnschuhen auf das Matterhorn steigen will…. Oben angelangt stehen wir vor einer urtümlich anmutenden Landschaft mit schwarzen Felsen, dürrem Gras und Büschen, sowie üppiger Vegetation entlang von kleinen Flüsschen. Endlich finden wir ein geeignetes Plätzchen mit etwas Schatten am Rand eines solchen Wasserlaufs, der fröhlich über ein paar Stromschnellen hüpft. Es ist unglaublich schön und friedlich hier; weit und breit ist keine Menschenseele ausser uns. Der Spitalalltag mit seinen Nöten fällt von mir ab. Und ebenso schnell schlüpfen ich mit den anderen aus unseren Kleidern und wir steigen ins Wasser. Kalt ist es nur im ersten Augenblick und dann schlicht herrlich. Seit wir in Kashikishi angekommen sind, habe ich mich nicht mehr so frisch und sauber gefühlt. Ich könnte die Welt umarmen.
Der Tag vergeht mit
Gelächter, Pick Nick, Lesen, Dösen, Fotos schiessen und Baden. Es ist herrlich!!!
Gegen fünf sind wir zurück am Parkplatz. Als wir nach einer Weile Francis anrufen, will er in 10 Minuten bei uns sein. Es dauert auch wirklich nur noch eine Stunde und dann ist er da :-) . Die Rückfahrt in der Dunkelheit ist noch beängstigender; ich schliesse müde die Augen und füge mich ins Unvermeidliche. Das muss man in Afrika lernen.
Zu Hause erwartet uns ein überschwemmtes Bad mit einer laufenden
Dusche. Ich vermute, dass sich Afrika gerade über uns lustig macht. Diese blöde
Dusche funktioniert sonst NIE – es ist das erste Mal, dass wir einen ganzen Tag
weg sind und erst noch frisch gewaschen nach Hause kommen ohne uns nach einer
Dusche zu sehnen….und dann und nur dann läuft die Dusche im Swiss House…
Den Sonntag
verbringen wir mit Lesen, Kochen, etwas Hausarbeit, Sonnen, Haare Waschen und
Tratschen. Die zwei Tage sind schnell vorüber und haben unglaublich gut getan.
Ich nehme mir vor,
nächste Woche entspannter an die Arbeit zu gehen, das Unvermeidliche zu
akzeptieren, meine schnellen Urteile und dauernde Kritik zurückzuhalten und
schlicht unverkrampfter mich den Begebenheiten umzugehen. Alles Eigenschaften,
die man von den Menschen hier lernen kann. Ausserdem wechseln die Situationen sehr rasch.
Was ich vorletzte Woche im Medical Ward erlebt habe, war vergangene Woche schon
ganz anders. Es brauchen nur eine kompetente, effektive und arbeitsame
Krankenschwester wie Sister Catherine und ein schneller und interessierter student wie Elysias, Dienst zu haben und schon sieht
das Leben als Ärztin auch auf dem Disaster Ward ganz, ganz anders aus!
Aber davon und von
meinen Erfahrungen mit dem Patienten namens Elvis ein ander Mal. Ich geh
schlafen (das Schreiben des blogs streckte sich in Etappen dahin) und grüsse
Europa.
Keine Kommentare:
Kommentar veröffentlichen